Die Wirbelsäule ist ein sehr komplexes Organ. Sie beginnt am Hinterkopf mit der Verbindung der Halswirbelsäule zum Kopf und endet am Becken bei der gelenkigen Aufhängung des Kreuzbeins in den Darmbeinschaufeln. Sie ist das tragende Grundgerüst unseres Körpers und stellt zugleich auch den schützenden Kanal für das Rückenmark und die von dort ausgehende Nervenwurzeln dar.
Bedingt durch die natürliche Alterung, aber auch durch die hohe Belastung, kann es zu einer Vielzahl verschiedener verschleißbedingter Erkrankungen kommen, wie zum Beispiel Bandscheibenvorfällen, Wirbelkanalverengungen oder Instabilitäten. Doch auch Verletzungen des Knochen-Bandapparats durch Unfälle oder entzündliche oder tumorbedingte Erkrankungen sind möglich.
In den letzten 25 Jahren hat sich das Spektrum der operativen Behandlungsmöglichkeiten in der Wirbelsäulenchirurgie erheblich verändert und erweitert. Dank minimalinvasiver Techniken, einem zunehmend besseren Verständnis der Biomechanik der Wirbelsäule sowie der Entwicklung und Einführung moderner Implantate können viele Wirbelsäulenerkrankungen sehr erfolgreich behandelt werden. Eine besondere Herausforderung stellt die Wirbelsäulenchirurgie bei älteren Patienten dar, denn Menschen werden heute bei guter Lebensqualität immer älter und haben auch im Alter einen Anspruch auf eine gute chirurgische Versorgung. Im MVZ Neurochirurgie werden Sie von uns zu diesem Themenkomplex eingehend untersucht und beraten. Wir veranlassen die zur weiteren Beurteilung erforderliche Diagnostik und kommen mit einem Therapievorschlag auf Sie zu.
Im Bereich der konservativen Therapie arbeiten wir eng mit vielen orthopädischen und schmerztherapeutischen sowie physiotherapeutischen Kollegen der Region zusammen. Die operative Behandlung von Wirbelsäulenerkrankungen führen wir in unserem Department für Wirbelsäulenchirurgie und spinale Neurochirurgie im Josef-Hospital Delmenhorst durch. Wir können hier alle Abschnitte der Wirbelsäule versorgen.
Bandscheibenvorfall der Lendenwirbelsäule
Beim Lendenbandscheibenvorfall kommt es oft zu einer Kompression von Nervenwurzeln, die im Wesentlichen die Beine versorgen. Da im Lendenbereich kein Rückenmark mehr vorhanden ist und die Fasern im Wirbelkanal praktisch frei in der Rückenmarkflüssigkeit schwimmen, können die Nervenfasern selbst bei großen Vorfällen recht gut ausweichen.
Etwa sieben von zehn Bandscheibenvorfällen können mittels konservativer Therapiemaßnahmen erfolgreich ohne Operation behandelt werden. Dies ist aber auch eine Frage der Geduld. Wenn es zu neurologischen Störungen kommt oder die Schmerzen mit konservativen Mitteln nicht mehr ausreichend therapierbar sind, dann ist die Operation heute ein sicheres Verfahren. Neben den klassisch mikrochirurgischen Techniken gibt es zudem gute minimalinvasive Verfahren.
Bei der Bandscheibenoperation wird in der Regel nur das Stück Gewebe entfernt, welches auf die Nervenwurzel drückt. Eine Entfernung der Bandscheibe selbst wird nicht angestrebt. Daher kommen auch keine Implantate zum Einsatz. Es kann in einer operierten Bandscheibe jedoch deswegen auch zu erneuten Vorfällen, sogenannten Rezidiven, kommen. Häufen sich solche Rezidive, dann muss zumeist eine stabilisierende Operation erfolgen.
Bei korrekter Indikationsstellung ist der Erfolg der Bandscheibenoperation sehr gut. Eine Nachbehandlung zur Kräftigung der Rumpf- und Rückenmuskulatur sollte ebenso erfolgen, wie eine Rückenschulung. Diese beginnt bereits während des stationären Aufenthaltes durch die Physiotherapie.
Bandscheibenvorfall der Halswirbelsäule
Im Rahmen von Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule, selten auch mal als Folge eines Unfalls, kann es zum Austritt von Bandscheibengewebe nach hinten oder hinten seitlich kommen. Dadurch werden Nervenwurzeln oder im ungünstigen Fall sogar das Rückenmark selbst gedrückt. Die Patienten berichten dann von Schmerzen, vor allem im Arm, aber auch von Taubheits- und Schwächegefühl. Im ausgeprägten Fall kann es sogar zu Störungen des Gehvermögens kommen. Dann ist rasches Handeln erforderlich.
Die konservativen Therapiemöglichkeiten bei Halsbandscheibenvorfällen sind begrenzt. Sie bestehen zumeist aus der Gabe eines abschwellend wirkenden Schmerzmittels, einer gezielten Injektionsbehandlung der betroffenen Nervenwurzel (der sogenannten PRT – Periradikuläre Therapie) und muskelentspannenden Maßnahmen, zum Beispiel durch geeignete Physiotherapie.
Wenn es zu neurologischen Störungen wie Lähmungen kommt, muss jedoch in den meisten Fällen operiert werden. Dies geschieht in der Regel von vorn durch die Halsweichteile hindurch, in seltenen Fällen von hinten, wenn der Vorfall weich ist und weit außen liegt. Bei der Operation von vorn wird die Bandscheibe vollständig entfernt, der Vorfall beseitigt und die Nervenwurzel freigelegt. Als Bandscheibenersatz wird dann ein Implantat eingesetzt, welches den Abstand der Wirbelkörper zueinander aufrechterhält und im Verlauf zu einer festen knöchernen Verbindung führt. Bei instabilen Situationen wird zusätzlich eine Titanplatte davor geschraubt. In Einzelfällen kann man auch eine Bandscheiben-Endoprothese einsetzen. Hierbei ist ein Vorteil gegenüber den herkömmlichen Implantaten jedoch noch nicht ausreichend nachgewiesen und daher die Indikation sehr streng zu stellen.
Nach der Operation ist der Patient zumeist rasch beschwerdefrei im Arm. Neurologische Störungen bilden sich oft, aber nicht immer, im Verlauf der Zeit zurück. Der erforderliche Krankenhausaufenthalt ist in der Regel eher kurz und eine Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit kann rasch erfolgen.
Wenn es durch Bandscheibenvorfall oder knöcherne Anbauten der Halswirbelkörper zu einer Schädigung des Rückenmarks (Myelopathie) gekommen ist, dann ist eine umfangreiche Nachbehandlung oft erforderlich.
Wirbelkanalverengung der Lendenwirbelsäule / Spinalkanalstenose
Die Spinalkanalstenose ist zumeist eine Erkrankung des älteren Menschen über 60 Jahre. Hier kommt es im Rahmen normaler Verschleißerscheinungen, vor allem der kleinen Wirbelgelenke und der Bandscheiben, zu einer Einengung des Kanals, durch den die Nervenfasern hindurch ziehen. Die Patienten haben in Ruhe und während der Nacht oft gar keine Probleme. Beim Laufen zwingen aber zunehmende Schmerzen in den Beinen zum Anhalten, so dass oft nur wenige hundert Meter bewältigt werden können. Beim Radfahren treten diese Beschwerden oftmals nicht auf.
Der ältere Mensch ist durch seine Gehstreckeneinschränkung in seiner Lebensqualität erheblich beeinträchtigt. Konservative Therapiemöglichkeiten gibt es für diese Erkrankung nur sehr wenige. Es handelt sich letztlich um ein mechanisches Hindernis, welches auch nur mechanisch, durch eine Operation beseitigt werden kann.
In mikrochirurgischer Technik wird dabei der Wirbelkanal aufgefräst und die einengenden Strukturen entfernt, so dass die Nervenfasern wieder frei liegen. Liegt neben der Engstellung auch eine Instabilität der Wirbelsäule vor, muss eventuell auch eine Stabilisierung mittels Schrauben und weiterer Implantate erfolgen. Manchmal entscheidet sich das erst während der Operation.
Einen Sonderfall der Wirbelkanalstenose stellen sogenannte Synovialzysten dar. Das sind Ausstülpungen der Gelenkhaut bei zumeist schwer geschädigten Gelenken. Wenn diese Zysten sich in den Wirbelkanal ausdehnen, können sie zu erheblichen Beschwerden durch Nervenkompression führen.
Wirbelkörperbrüche
Verletzungen und Erkrankungen in der Wirbelsäule betreffen nicht nur die Bandscheiben. Auch die knöchernen Bestandteile, die sogenannten Wirbelkörper, können beschädigt werden. So führen beispielsweise Unfälle oder auch Abbauprozesse bei Osteoporose zu oft schmerzhaften Brüchen, die Betroffene im Alltag stark einschränken können.
Die Versorgung von Frakturen kann von uns in allen Abschnitten der Wirbelsäule erfolgen. In vielen Fällen lassen sich die Beschwerden bereits durch konservative Maßnahmen wie etwa die Gabe von Medikamenten, gezielte Physiotherapie oder das Tragen eines speziell angepassten Korsetts lindern.
Zeigen diese Therapien keine ausreichende Wirkung, stehen verschiedene operative Verfahren zur Wahl: Bei der operativen Behandlung osteoporotischer Wirbelbrüche findet die minimalinvasive Kyphoplastie (Wiederaufrichten des Wirbels und Zementinjektion) Anwendung. Bei richtiger Indikationsstellung führt der nur sehr kurz dauernde Eingriff sehr schnell zur Beschwerdebesserung. Komplexere Brüche jedoch müssen oft verschraubt werden bis hin zum Ersatz des zerborstenen Wirbelkörpers durch ein Implantat.
Verschleißbedingtes Wirbelgleiten / Degenerative Spondylolisthese
Wenn es durch den Verschleiß der kleinen Wirbelgelenke zu Verformungen und Änderung der Gelenksspaltrichtung kommt, dann kann sich ein Wirbelgleiten einstellen. Durch die zunehmende Instabilität des Bewegungssegments bewegen die Wirbelkörper sich zueinander und es kommt meist zu einem Abrutschen der darüber liegenden Segmente nach vorne. Daraus resultiert oft auch eine Verengung des Wirbelkanals. Die Patienten beklagen zumeist Rückenschmerzen sowie auch die Symptome des engen Spinalkanals.
Wenn konservative Maßnahmen nicht ausreichend helfen, eine zufriedenstellende Lebensqualität zu erzeugen, erfolgt eine operative Therapie durch Stabilisierung und Rekonstruktion des Profils der Wirbelsäule. Dabei müssen die betroffenen Wirbelkörper miteinander verschraubt, die Bandscheibe entfernt und durch ein Implantat ersetzt werden. Das Resultat ist eine 360°-Fusion der instabilen Etage. Beim degenerativen Wirbelgleiten erfolgt der Eingriff zumeist in einer Sitzung von hinten in sogenannter TLIF (transforaminal lumbar interbody fusion) Technik. In Ausnahmefällen erfolgt die Operation auch kombiniert von hinten und von vorne durch den Bauch. Das hängt auch davon ab, wie ausgeprägt die Gleitsituation ist.
Entzündliche und rheumatische Erkrankungen
Entzündungen können sowohl die Bandscheiben, die Wirbelkörper selbst als auch Wirbelgelenke betreffen. Gerade die Anzahl behandlungsbedürftiger Bandscheibeninfektionen hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Zu den wohl bekanntesten rheumatischen Wirbelsäulenerkrankungen zählt der Morbus Bechterew, der häufig in jungen Jahren beginnt. Neben Schmerzen kommt es zu einer allmählichen Versteifung und Deformierung der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte.
Im Rahmen der primär chronischen Polyarthritis kommt es häufig zu Instabilitäten im Bereich der gelenkigen Kopf-Halswirbelsäulenverbindung, was zu Schmerzen und – durch Einengung des oberen Rückenmarks – zu neurologischen Beschwerden führen kann.
Unsere Behandlungsschwerpunkte liegen auf der operativen Infektsanierung, die zum Beispiel bei Entzündungen der Bandscheiben zum Einsatz kommt, und der Beseitigung von Instabilitäten, die sich aus der jeweiligen Erkrankung entwickeln können.
Tumoren der Wirbelsäule / Spinale Tumoren
Tumoren der Wirbelsäule sind in der Mehrzahl sogenannte Metastasen, das heißt Tochtergeschwülste anderer Tumoren im Körper. Diese können zu einer Instabilität mit Bruch des Wirbels führen. Wenn sie in den Wirbelkanal hineinwachsen, können sie schwerwiegende neurologische Störungen durch Druck auf das Rückenmark oder abgehende Nervenwurzeln hervorrufen. Seltener sind spinale Tumoren, die vom Rückenmark selbst oder deren Nervenfasern ausgehen oder primäre aus dem Knochen selbst hervorgehende Geschwülste.
Bei drohenden oder eingetretenen Instabilitäten sowie neurologischen Störungen ist eine Operation häufig unumgänglich. Hier findet die Therapieplanung immer in enger Abstimmung mit den weiteren behandelnden Fachgebieten wie der Onkologie, der Strahlentherapie oder der Medizinischen Klinik im Josef-Hospital Delmenhorst statt. Dazu steht unter anderem eine Tumorkonferenz zur Verfügung, in der diese Fälle gemeinsam besprochen werden. Dort können auch ambulante Patienten vorgestellt werden.